Ein interessanter Beitrag aus der P.M.-Magazin, der allerdings für mich die Fragen aufwirft:
Wenn eine uns überlegene Zivilisation keinerlei Religion braucht,
warum sollten wir dann noch eine brauchen?
Wenn außerirdische Kriege geführt und gemordet haben und dennoch
keinen Erlöser brauchen, warum dann wir?
Die geheimen Alien-Pläne des Vatikans
http://www.pm-magazin.de/t/raumfahrt-kosmos/au%C3%9Ferirdische/die-geheimen-alien-pl%C3%A4ne-des-vatikans > und andere interessante Beiträge dazu
So rückwärtsgewandt, wie ihnen nachgesagt wird, sind die Männer im Kirchenstaat gar nicht. Jetzt bereiten sie sich sogar auf die Landung intelligenter Außerirdischer vor und spekulieren, ob der Mensch auch danach noch die Krone der Schöpfung bleiben könnte.
Vom Himmel hoch, da komm ich her: Als Martin Luther im Jahr 1535 dieses Weihnachtslied dichtete, waren in den christlichen Kirchen ausschließlich Engel als Außerirdische erlaubt. Intelligentes Leben, das von anderen Planeten aus die Erde betritt – es war undenkbar und wurde als Ketzerei behandelt. Zur Zeit der Inquisition büßte man für solch abwegiges Gedankengut sogar mit seinem Leben. Wie der Mönch und Philosoph Giordano Bruno, der im Jahr 1600 wegen seiner These »Es gibt mehrere Welten« auf dem Scheiterhaufen landete. Doch dass vom Himmel nur Engel kommen können, dieses Glaubensdogma bröckelt. Die Engel haben Konkurrenz bekommen, seit die Wissenschaft Erkenntnisse gewinnt, die das bisherige Weltbild der Religionsgemeinschaften erschüttern. So entdeckte jüngst das Weltraumteleskop Kepler den sechshundert Lichtjahre entfernten Planeten Kepler-22b: Er ähnelt der Erde. Wie die Forscher herausgefunden haben, herrschen auch auf dem Jupitermond Europa, auf dem Mars und dem Saturnmond Titan Umweltbedingungen, die primitive Lebensformen ermöglichen. Der für den Physiknobelpreis vorgeschlagene Wiener Professor Heinz Oberhummer ist fest davon überzeugt, dass schon innerhalb der nächsten zwei Jahre der wissenschaftliche Nachweis extraterrestrischen Lebens erbracht wird. Selbst die katholische Kirche verschließt nicht mehr die Augen vor den Erkenntnissen über mögliches Leben außerhalb der Erde.
Für den Blick über den kosmischen Tellerrand stand den Päpsten lange Zeit die Vatikanische Sternwarte in Castel Gandolfo zur Verfügung. Da die Teleskope aus den 1950er Jahren heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügen, hat der Vatikan seine Forschungseinrichtungen an die University of Arizona in den USA verlegt. Vom Gipfel des über 3000 Meter hohen Mount Graham bei Tucson schauen die Astronomen des Vatikans mit einem 1,8-Meter-Teleskop ins All. Chefastronom José Gabriel Funes: »Wir sind die Brücke zwischen der Welt der Wissenschaft und Gott.« Dieses Verständnis für ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Naturwissenschaft und Religion beherrschte den Vatikan in der Geschichte ja nicht immer. Aber, so der Vatikan-Astronom Guy Consolmagno: »Wir haben unseren Fehler mit Galileo gemacht, wir werden denselben Fehler nicht noch einmal machen.« Will sagen: Naturwissenschaft (»Die Erde dreht sich um die Sonne«) ist kein Grund mehr für Inquisition und Hausarrest. Gleichwohl würde die Existenz außerirdischen Lebens die katholische Kirche in größte Erklärungsnot stürzen. Kann man den Gläubigen dann noch erzählen, dass Gott den Menschen als einziges intelligentes Wesen erschaffen hat, wenn Außerirdische von einer zweiten »Erde« in der Lage sind, uns zu besuchen? Und was ist mit dem Schöpfungs- und Erlösungsmythos? »Ich glaube, die Entdeckung einer zweiten Schöpfungsgeschichte wäre von einer enormen spirituellen Bedeutung für die christlichen Religionsgemeinschaften«, sagt Paul Davies. Der Physiker von der Arizona State University macht sich über Aliens von Berufs wegen Gedanken: Er steht an erster Stelle von weltweit zwei Dutzend Wissenschaftlern, die einer Taskgroup des NASA-Programms SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence; siehe Kasten) angehören und beim Entdecken außerirdischer Funksignale sofort verständigt werden müssen. Davies sieht für die Christen ein weiteres »schreckliches Dilemma« voraus, weil sie »glauben, dass Gott in der Gestalt von Jesus Christus kam, um die Menschheit zu erlösen, und nicht in der kleiner grüner Männchen von anderen Planeten«.
Auch der USEvangelist Gary Bates ist der Ansicht, dass außerirdisches Leben aus dem Erlösungsthema eine Farce machen würde. Wie sehr diese Sorge die Kirchen umtreibt, beweist die verstärkte Aktivität in deren Institutionen und Gremien. So fand im November 2009 in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Rom eine Konferenz zum Thema Astrobiologie statt. Wissenschaftler und Theologen aus der ganzen Welt diskutierten eine Woche lang: Wie ist irdisches Leben entstanden? Was verraten Mikroben unseres Planeten über Leben auf anderen Planeten? Wo und mit welchen Methoden kann man Lebensformen in unserem Sonnensystem entdecken? Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass der Vatikan einmal zur Alien-Konferenz einladen würde! Auch in der evangelischen Kirche beginnt man sich Gedanken zu machen. So fand jüngst ein Treffen von Forschern an der Royal Society in London statt. Thema: »Mögliche Auswirkungen von Aliens auf die Gesellschaft.« Dort legte der protestantische Theologe Ted Peters vom Pacific Lutheran Theological Seminary in Berkeley/Kalifornien eine Studie aus dem Jahr 2011 vor. Darin waren 1300 Katholiken, Protestanten, Mormonen, J*den, Buddhisten und Atheisten befragt worden, ob Aliens die Religion ins Wanken bringen könnten. Das Ergebnis spiegelt die Besorgnis wider: Jeder dritte Katholik oder Protestant sah eine Gefahr für die eigene Religion, eine noch größere aber für andere Glaubensgemeinschaften. Von den Atheisten waren 69 Prozent überzeugt, dass Außerirdische die Weltreligionen in eine große Krise stürzen würden. Professor Armin Kreiner, Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bestätigt, dass das Thema Aliens die katholischen Christen Deutschlands bewegt.
»Gläubige denken durchaus darüber nach und sind dem Thema gegenüber aufgeschlossen.« Die Existenz außerirdischer Lebewesen mögen viele nicht mehr ausschließen. Professor Norbert Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: »Bei der Größe des Weltalls müsste die Existenz außerirdischer vernünftiger endlicher Wesen nicht überraschen.« Und wenn es wirklich einmal zur Begegnung der dritten Art kommt? Während die konfessionellen Laien Glaubenskrisen voraussehen, bleibt die Amtskirche merkwürdig gelassen. Armin Kreiner, Autor des Buches »Jesus, UFOs, Aliens: Außerirdische Intelligenz als Herausforderung für den christlichen Glauben!«, meint, dass eine Landung Außerirdischer auf der Erde kaum ein theologisches Problem bedeuten würde: »Was das Christentum betrifft, so ist es in seiner Geschichte schon mit vielen veränderten Situationen klargekommen. Ich gehe davon aus, dass es auch mit einem Kontakt irgendwie zurechtkommen wird.« Der päpstliche Chefastronom José Gabriel Funes sieht ebenfalls keine Gefahr. Der Direktor des Vatikanischen Observatoriums hat der Hauszeitung des Papstes, »L’Osservatore Romano«, ein Interview gegeben, in dem er feststellte: »Der Glaube an Aliens widerspricht nicht unserem Glauben, und wir können der kreativen Freiheit Gottes nicht einfach Grenzen setzen. Wenn wir irdische Geschöpfe als Bruder und Schwester betrachten, warum sollten wir dann nicht auch von unseren außerirdischen Brüdern sprechen können?« Der Jesuitenpater Funes, der in Glaube und Wissenschaft keinen Widerspruch sieht, vermutet sogar, dass die Aliens ohne Erbsünde sind. »Niemand sagt, dass sie eine Erlösung wie wir Menschen brauchen. Sie könnten im vollkommenen Einklang mit ihrem Schöpfer leben.« Und wenn die außerirdische Existenz wie unsere doch der Erlösung bedarf? Auch dann sieht der Chefastronom des Papstes kosmische Harmonie am Werk: »Jesus wurde ein einziges Mal inkarniert für alle. Ich bin mir deshalb sicher, dass die Aliens die Möglichkeit haben, Gottes Gnade zu empfangen, so wie sie uns Menschen zuteil wird.«
So klar scheint die Sache aber nicht zu sein, immerhin diskutieren Theologen die Frage, ob eine Inkarnation Gottes als Jesus Christus für die gesamte Schöpfung »gilt«, schon seit Jahrhunderten. Und sie ist nicht leichter zu beantworten, seit die Existenz Außerirdischer offenbar eine gewisse Plausibilität für sich in Anspruch nehmen darf. Die katholischen Theologen sind in zwei Lager gespalten. Die einen glauben, dass es einen multiplen Jesus im Universum gibt: Derselbe Jesus, der uns Menschen auf der Erde die Erlösung brachte, kann zu anderen Zeiten auch als Erlöser auf anderen Planeten gewirkt haben. »So wie Jesus ein Mensch ist wie du und ich, würde man sich einen Alien-spezifischen Jesus durchaus denken können«, meint Theologie-Professor Ted Peters. Will sagen: Jesus Christus könnte mehr als einmal im Universum als Erlöser in Erscheinung getreten sein. Darf man sich das wirklich vorstellen, einen Jesus für kleine grüne Männchen? Andererseits ein berauschender Gedanke für den Vatikan: ein Universum der Christen. Und der Papst nicht nur Herr über 1,2 Milliarden katholische Christen auf der Erde, sondern über ein unbestimmbares Vielfaches in den Weiten des Kosmos. Die andere Gruppe der Theologen verwirft den multiplen Jesus. Sie glaubt, »dass es zur Bestimmung des Menschen gehört, den Aliens die Erlösung zu bringen«, sagt der Kosmologe Paul Davies. Die Menschen als Missionare für Außerirdische?
Und wenn die sich das nicht gefallen lassen – beispielsweise weil sie eine eigene Religion haben: Wird es dann zu Glaubenskriegen und Kreuzzügen wie im Mittelalter kommen? Aber auch wenn die Begegnung der dritten Art friedlich verläuft, kann der Umgang mit einer völlig neuen Religion ein Problem sein. Es fängt schon damit an, dass wir den fremden Glauben erst einmal erkennen müssen. Für Ted Peters »besteht kein Zweifel daran, dass Außerirdische eine Reihe von Symbolen haben und dass Theologen viel Arbeit damit haben werden, sie zu analysieren, um Parallelen zu unserem Glauben herstellen zu können«. Peters sieht dann ein großes neues Arbeitsgebiet auf die Theologie zukommen: »Traditionelle Theologen müssen dann Astrotheologen werden.« Ein noch größeres Problem wäre es jedoch, wenn die Aliens keine Religion hätten. Denn dann stünde der Gott der Menschen auf dem Prüfstand. Diesen theologischen Sprengstoff formulierte Douglas Vakoch, Chef des SETI-Instituts, in einem Essay für die humanistische Organisation »Humanity 3000. Gesellschaft für die Zukunft«, der namhafte Wissenschaftler und Philosophen angehören. »Vielleicht werden die Aliens sagen, dass sie einst auch eine Religion brauchten, inzwischen sich aber darüber hinausentwickelt hätten«, sagt Vakoch. »Manche Menschen glauben, dass das ein schwerer Schlag für den Glauben sei: Wenn eine uns überlegene Zivilisation keinerlei Religion braucht, warum sollten wir dann noch eine brauchen?« Oder wie es der NASA-Historiker Steven Dick formuliert hat: »Die Hauptfrage ist: Würden die Religionen einen Alien-Kontakt überleben?«
P.M. Magazin 05/2012